Günstige Intelligenz in ungünstigen Zeiten - Poesie im Kontext von KI heute. 3 Positionen

Lesungen und Performances von Jörg Piringer, Hanne Römer und Paul Divjak
Jörg Piringer investierte für sein Buch „günstige intelligenz“ 5,60 Euro in einen Online-Dienst, um die Leistungsfähigkeit des neuronalen Netzwerks generative pretrained transformer 3 auf die Probe zu stellen. Gedichte nach bestimmten Vorgaben oder deren Transformationen in einen wikipedia-Artikel, in einen Glu?ckskeksspruch oder in einen Donald-Trump-Tweet u.a.m. bezeugen die Stilsicherheit der Ku?nstlichen Intelligenz, die Piringer schließlich auch selbst einem Intelligenztest unterzieht. Pointiert bespricht der Autor die Inselbegabung der Maschine, Probleme des immensen technischen und ökonomischen Aufwands beim Trainieren von Neuronalen Netzwerken oder die tiefgreifenden sozialen Implikationen der KI-Poesie fu?r den Autor als Redakteur und „Mausklicker“. Jörg Piringers „gu?nstige intelligenz“ ist ein geistreicher und unterhaltsamer Zwischenbericht u?ber den gegenwärtigen Stand computerfabrizierter Dichtung.
 
Hanne Römers Buch „RAUTE“ erscheint als Finale der unter dem Konzept .aufzeichnensysteme firmierenden Trilogie einer Kompression:, destilliert aus Aufzeichnungen der Autorin Hanne Römer. Als hochenergetische Entitäten treten das freigelegte Einzelwort oder die auf die Stammform rückgeführte Wendung in Aktion, um zum Herstellen von Zusammenhang, zur Aktualisierung von Erzählungen herauszufordern. In ihren dynamischen Decollagen dringt Hanne Römer zu jenen Kipppunkten vor, an denen Ordnungen durch Überhitzung eingespielter Systeme zu erodieren beginnen. „RAUTE“ markiert die Kulmination eines der konsequentesten Beispiele verfahrensgeleiteter Literatur heute.
 
Im Zentrum von Paul Divjaks „Ich liebe Österreich. Österreich ist meine Lieblingsstadt“ steht eine experimentell-literarische Annäherung an die sprachliche Konstruktion und das verborgene „Selbst“ des Landes. Bekannte und weniger geläufige Reden über Österreich – so auch Zitate von Karl Kraus, Hilde Spiel, Ingeborg Bachmann oder Thomas Bernhard – treten als Fehlübersetzung in Erscheinung: mittels Google-Translate wiederholt ins Thailändische übertragen und wieder zurückübersetzt, mit all den von der KI generierten Unschärfen und Sinnverschiebungen. Der Duktus von schlecht übersetzten Gebrauchsanweisungen erinnert in manchen Beispielen vielleicht an Dissertationen eben noch gewesener österreichischer Minister:innen. Und in der Tat werden im begrifflichen Gestelze und syntaktischen Gestolpere Sprachformen des machtpolitischen Diskurses (nicht nur Österreichs) erkennbar.
 
 
Jörg Piringer, geb. 1974 in Wien, Schriftsteller, Aktionsku?nstler und Informatiker. Mitglied des Instituts fu?r transakustische Forschung und des Gemu?seorchesters. Er arbeitet in den Lu?cken zwischen Sprachkunst, Musik, Performance und poetischer Software. http://joerg.piringer.net.
 
Hanne Römer, geb. 1967 in Bad Vilbel (D), .aufzeichnensysteme bezeichnet seit 2002 eine Schnittstelle von Literatur, visueller und auditiver Kunst als Konzept / Autorenschaft von Hanne Römer, seit 2000 Autorin und Künstlerin in Wien.
 
Paul Divjak, geb. 1970 in Wien. Autor, Medienkünstler und Kulturwissenschaftler. Paul Divjak ist transdisziplinär in den Bereichen Literatur, Film, Fotografie, Musik, Performance, Installation und Olfaktorik tätig. Er lebt in Wien.
 
Paul Pechmann, geb. 1964 in Wagna, Literaturwissenschaftler an der Univ. Wien, programmverantwortlicher Lektor von Ritter Literatur, Mentor beim Forum Text von uni-T Graz.

 
Eine Veranstaltung von Theater am Lend und Ritter Literatur

Moderation: Paul Pechmann

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